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Fritten & Frikandel: Brügge sehen und sterben

Nachdem wir uns gestern bereits dem Nationalgericht Bier zugewandt haben, ging es heute (Samstag) mit Fritten weiter. Natürlich gibt es auch hierfür ein Museum, das friet museum. Hier erfährt man alles von der Kultivierung der Kartoffel in Südamerika, über ihren Weg nach Europa bis hin in die Friteuse. Natürlich – darauf legen die Belgier wert – wird die Pommes hier doppelt fritiert. Zunächst 6 bis 8 Min. bei 140° C und danach nochmal 2 bis 4 Min. bei 170° C.

Das Museum war ganz nett, aber auch nicht der Brüller. Hier hätte man innovativer sein können v.a. was die Präsentation anging. Es war zwar wirklich vollumfassend, d.h. es wurden sowohl alle Kartoffelsorten als auch alle möglichen Kartoffelschneider etc. pp. präsentiert, aber es beschränkte sich fast ausschließlich aufs Präsentieren. Vor allem in einem Frittenmuseum hätte ich auch mehr für Kinder erwartet, für die das wohl eher langweilig gewesen ist. O.K. wenn da mehr für die dabeigewesen wäre, hätte ich mich auch wieder geärgert, dass die little bastards alles besetzt hätten.

Der Eintrittspreis von 6 Euro ist somit an der oberen Schmerzgrenze. 2 Euro sparen kann man, wenn man ein Kombiticket mit dem Museum Choco-Story für insgesamt 11 Euro bucht. Das ist ja das dritte Nationalgericht der Belgier und stand bei uns danach auf dem Plan. Wir hatten uns für das Kombiticket entschieden – hätten wir das Frittenmuseum bereits gekannt, wären wir wohl nicht auch noch da reingegangen. Nun gut, gebucht ist gebucht und was der Schwabe gezahlt hat, das schaut er sich auch an.

Im Choco-Story ist es im Prinzip das selbe Spiel wie im Frittenmuseum. Alles zum Kakao von den Azteken bis hin zur Praline. Von der Präsentation her ähnlich. Wer das Schokoladenmuseum von Stollwerk Lindt in Köln schon kennt, der wird erst recht enttäuscht sein. Dort konnte man die Produktion von Schokolade live verfolgen und anfassen und probieren. Das war hier in Brügge nicht der Fall. Einzig die Einführung (Vorführung) in die Pralinenproduktion mit anschließender Kostprobe hob sich aus der etwas drögen Gesamtpräsentation heraus. (Für Schoko-Liebhaber sei allenfalls noch die Rezeptseite empfohlen, hier giebt es auch noch alte Rezepte aus dem 16. Jh. ff. und die Schokodrinks der Azteken.)

Im Choco-Story auf den Geschmack gekommen, suchten wir das "The Old Chocolate House" auf. Das war ein Empfehlung von het Mariannche und ist diese wirklich wert. Ein wunderschönes kleines Lokal im ersten Stock, in dem man einen leckeren Kakao mit echter Schokolade genießen kann. Anstatt die große Tasse für knapp 4 Euro sollte man aber gleich zum "all in" für fast 8 Euro greifen. Hier gibt es zum Choki noch ein paar Leckerlis, wie Pralinen, Kekse, Kuchen etc. Danach ist man so voll, dass man im Ladenlokal im Erdgeschoss nichts mehr kaufen möchte. Mit leerem Magen kauft es sich doch besser.

Nach dem leiblichen Wohl sollte noch was für die Seele getan werden, sprich ein Paar Kirchen waren angesagt. Zunächst ging es in die Heilig Bloed Basiliek, eine gut durchorganisierte, aber recht schlichte (für katholische Verhältnisse) Kirche, die v.a. von einer der heiligsten Reliquen Europas lebt: eine Phiole angeblich mit Blut und Wasser, welches Joseph von Arimatäa vom Leib Christi wusch. Wer möchte, kann auch seine Hand auf das silberne Tabernakel mit der Phiole legen. Ein Pfaffe wischt danach auch immer mit dem heiligen Taschentuch drüber. Aufgefordert wird man dazu von einer Stimme vom Band in sechs Sprachen, damit das auch keiner verpasst.

Danach ging es zur Onze Lieve Vrouwekerk, die schon wesentlich prachtvoller ausgestaltet ist. Den vollen Rundgang kann man allerdings nur machen, wenn man einen Obolus für das Museum opfert.

Am frühen Morgen hatten wir uns noch aufgemacht zum Belfort am Markt. Den Turm kann man auch besichtigen und muss von dort einen phantastischen Blick über Brügge haben. Wenn man das vorhat, sollte man auf jeden Fall am Morgen auftauchen, bevor die Massen an Touris aufschlagen, denn auf den Turm dürfen max. 70 Personen gleichzeitig hoch. Als wir dort waren, gab es schon den ersten Stau. Außerdem hatten wir ja gestern in der Brauerei bereits unseren Panoramablick und so habe ich mir die 8 Euro fürs Treppensteigen erspart.

Insgesamt ist Brügge eine sehr schöne kleine Stadt, die man aber nicht in der Hochsaison besuchen sollte. Dann wird man in dem verträumten Örtchen totgetrampelt. Der ganze Touri-Nepp, der uns bisher erspart geblieben ist, kommt einem hier geballt entgegen: Stadtführungen per Bus, Boot oder Pferd und Geschäfte mit den typischen Touristendevotionalien. Hierdurch verliert Brügge in meinen Augen einen Großteil seines Charmes. Natürlich, die Stadt lebt zu einem Großteil von den Touristen und der wahrscheinlich kurzen Saison während der Sommermonate. Geht man recht früh oder spät durch die Stadt, dann kann man etwas von dem Flair erhaschen, der einem hier außerhalb der Saison geboten wird.

Biertechnisch haben wir uns heute an die "gepanschten" Spezialbiere herangetraut. Mittags gab es ein Kriek. Das ist Kirschbier, welches aus dem berühmten Lambic-Bieren gemischt wird. Die Sauerkirschen aus Schaerbeek geben dem Bier einen schönen fruchtigen und v.a. nicht zu süßen Touch. Mit 3,7 Umdrehungen ist das für belgische Verhältnisse Kinderbier, das darf man hier schon ab 12 Jahren trinken.

Zum Nachmittagssnack gab es dann ein Kwak, Das erinnert ein wenig an Leffe blond, ist aber mit Himbeer aromatisiert. Die Frucht kommt jedoch nur leicht durch und dieses Himbeerbier ist (auch alkoholtechnisch) nicht zu vergleichen mit Berliner Weiße mit Schuss, Kriek, Becks Lemon etc. pp. Serviert wird Kwak in einer Art Glaskolben, welcher in Ständer aus Holz steht.

Eigentlich stand für abends noch Fußball bei Cercle Brügge auf dem Plan. Wir haben aber auch nach ausgiebieger und wiederholter Lektüre den belgischen Ligamodus nicht kapiert haben. Vielleicht waren wir aber auch einfach zu platt für Fußball.

PS: Auch hier gilt wieder, dass der Bericht mit Verzögerung erschienen ist, da wir ab Brügge keine Internetverbindung hatten.

Ole-Gunnar Flojkar kocht: