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Schäubles Stasizentrale [Update #4]

Es fällt so langsam schwer keine Parallelen mit ehemaligen totalitären Systemen in Deutschland zu ziehen. Man gibt sich zunehmend auch keine Mühe mehr wenigstens den demokratischen Anschein zu wahren. Die neueste Errungenschaft ist die von Schäuble in Köln erbaute Abhörzentrale beim Bundesverwaltungsamt.

Hierüber ist gerade ein schöner Artikel in der taz erschienen - der leider schon wieder offline ist. (So ab und zu hat das Internet-Ausdrucken auch mal seine Berechtigung; bei Ingo Jürgensmann und beim geekblog gibt es noch einige Ausrisse.)

Das Besondere an dieser Abhörzentrale ist, dass Schäuble sich hier für 10 Mio. € einen Koloss hingestellt hat, der ohne jegliche Legitimation arbeitet. Beim Bundesverwaltungsamt (BVA) sollen zukünftig die Abhörkompetenzen von BKA, Bundespolizei, Verfassungsschutz und bei Bedarf auch der Länderbehörden gebündelt werden - nur dass dafür die rechtliche Grundlage fehlt. Zudem sind die Beamten der BVA hierfür überhaupt nicht ausgebildet. 

Die Abtretung der Abhörkompetenzen der Länder soll nun über den schnöden Mammon geschehen, schließlich muss sich der Bau auch lohnen. Jetzt hat man sich quasi illegal einen neuen Behördenbunker gebaut und nun müssen die ausgegebenen Millionen nachträglich gerechtfertigt werden. Gehofft wird u.a., dass die Länder angesichts der knappen Finanzen und anstehenden Investitionen in neue Abhörinfrastruktur dies lieber an Schäubles Stasi- Abhörzentrale abgeben.

Die Trennung der Polizei- und Verfassungsschutzarbeit in Deutschland in verschieden Behörden, unter der Leitung verschiedener Ministerien sowie auf Bundes- und Länderebene hat seinen guten Grund: Es soll nicht zuviel Macht an einer Stelle gebündelt werden und eine Kontrolle generell ermöglicht werden (von den Datenschutzproblemen einmal abgesehen). Das hat auch etwas mit Gewaltenteilung zu tun, das andere hatten wir alles schon mal...

Update: Der taz-Artikel ist immer noch Offline. Nachdem bis gestern die unterschiedlichsten Meldungen kamen, warum der Artikel micht Online ist (technische Probleme, ...) erscheint seit heute (26.08.):

Im Rahmen der Recherche des Textes sind zwei Unstimmigkeiten aufgetreten, die die taz-Redaktion aus dem Weg räumen möchte, bevor dieser Text wieder veröffentlicht wird. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Da bin ich mal gespannt, was die Recherche ergibt. Es ist schon ungewöhnlich, dass ein Artikel wieder zurückgezogen wird, i.d.R. folgen ja bei Unstimmigkeiten im Nachhinein allenfalls Korrekturmeldungen oder Updates...

Update: Noch immer gibt es nichts neues von der taz-Front zu vermelden. Der Vorgang ist jedoch mal wieder auch ein gutes Beispiel für "das Internet vergisst nichts": Der (ursprüngliche) Artikel kann mittlerweile bei Wikileaks nachgelesen werden und das Drama in X Akten der taz um den Artikel und die Rücknahme ist hier anschaulich "bebildert". (Danke an Markus von netzpolitik.org für die Hinweise. Dort ist auch (schonmal) ein Fehler des Artikels (Vorratsdatenspeicherung) dokumentiert.) 

Update: Der Artikel ist wieder Online. Grundlegend hat sich inhaltlich nichts gravierend verändert. Lediglich die Vorratsdatenspeicherung fehlt nun (richtigerweise) und der Koloss kostete nun "nur" noch 10 statt 100 Mio.

Update: Der neue Innenminister Thomas de Maizière hat Schäubles Pläne vorerst in die Schublade zurückgelegt. Ob es Verknüpfungen zwischen den einzelnen Behörden geben werde ist jedoch noch nicht endgültig vom Tisch.

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