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Bundeskartellamt: Behörde ohne Sachverstand?

Wenn man sich die aktuellen Äußerungen des Bundeskartellamts ansieht, dann kann man sich schon die Frage stellen, auf welcher Grundlage dort Entscheidungen getroffen werden. Über das durch das Kartellamt selbstverursachte marktbeherrschende Oligopol und die überraschende Selbsterkenntnis, dass es sich um ein marktbeherrschendes Oligopol handelt, habe ich bereits geschrieben. Diesmal geht es um den Strommarkt:

Der neueste Fauxpas passierte dem Chef des Kartellamts in einem Interview in der RPO. Dort heißt es:

Die Märkte sprechen eine deutliche Sprache: Die "Futures", also die Termingeschäfte, sind für das letzte Quartal 2011 schon um zehn Prozent gestiegen, nachdem die Regierung das Atom-Moratorium verhängte. Der Preis ging nicht wieder zurück. Die Märkte rechnen mit Strompreiserhöhungen - und sie wissen es meist am besten.

Insb. in Bezug auf den "Markt" widerspricht sich Mundt, denn kurz vorher heißt es noch:

RPO: Auch auf dem Strommarkt herrscht ein Oligopol: Vier Konzerne teilen sich 80 Prozent des Marktes. [...]

Mundt: Kurzfristig wird die Marktmacht der vier Stromkonzerne sogar noch etwas wachsen.

Da die Märkte offensichtlich - ähnlich wie im Benzinmarkt - nicht richtig funktionieren, müssen die Preissignale auch nicht die korrekten Erwartungen wiedergeben. Insb. im Strommarkt, in dem ein Angebotsduopol von etwa 60% bzw. ein Vierer-Oligopol von 80-90% Erzeugerkapazitäten den Markt beherrschen.

Bereits 2007 haben Hirschhausen et al. in einer Studie für den VIK die "Preisbildung und Marktmacht auf den Elektrizitätsmärkten in Deutschland" (pdf: klick oder klack) untersucht. Dabei stellen sie fest (und können die Ergebnisse anderer Studien zum Thema bestätigen), dass

  • die Preise erheblich über jenen unter Wettbewerbsbedingungen liegen,
  • die Oligopolisten durch Zurückhaltung von Angebotskapazitäten den Strompreis signifikant manipulieren können,
  • Kostenänderungen asymmetrisch weitergegeben werden (Kostensteigerungen werden schneller und stärker, Kostensenkungen dagegen deutlich zurückhaltender eingepreist),
  • angesichts der Marktstruktur "damit zu rechnen [ist], dass die Preisbildung nicht vollständig wettbewerblich erfolgt."

Sowohl die Preiserhöhungen in Folge des Atom-Moratoriums als auch, dass die Preise seitdem nicht mehr gesunken sind, müssen also keine Indizien dafür sein, dass die "Märkte" mit Strompreissteigerungen rechnen (konträr zu den Auswirkungen übrigens das WupperInst). Dies kann genausogut auch darauf zurückzuführen sein, dass die Strommärkte nicht wettbewerblich funktionieren. Die Aussagen des Chefs des Bundeskartellamts sind jedoch ein starkes Indiz dafür, dass er eine Fehlbesetzung an der Spitze dieser wichtigen Behörde ist.

Maik Hetmank: