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Das weiße Band

Ort der Handlung ist ein kleines Dorf in Norddeutschland in den Jahren 1913/14. Hier scheint die Welt eigentlich noch in Ordnung. Männer wie der Baron, der Pfarrer oder der Dorfarzt dominieren das gesellschaftliche Leben. Frauen und Kinder sind nur zusätzliche Arbeitskräfte bzw. haben entsprechend den Vorgaben zu funktionieren.

Dann beginnt eine Reihe von mysteriösen Unfällen: der Arzt stürzt von seinem Pferd, das über ein gespanntes Drahtseil stolperte, eine Frau kommt im Sägewerk zu Tode, der Sohn des Barons verschwindet und wird misshandelt aufgefunden. Als schließlich auch der behinderte Sohn der Hebamme ebenfalls ein Opfer der Vorkommnisse wird, fallen dem Lehrer erste Zusammenhänge auf. Scheinbar sind immer die Kinder des Dorfes, allen voran die beiden Ältesten des Pfarrers, in die Geschehnisse involviert. Doch natürlich will der Geistliche nichts von den Verdächtigungen wissen...

Wir hatten es damals nicht geschafft, den Film im Kino zu sehen, ich weiß gar nicht mehr warum. Dann kamen die ganzen Preise, die er erhalten hat, was mich zusätzlich neugierig machte. Als wir jetzt die Chance hatten, die DVD zu kaufen, haben wir also zugeschlagen. Ich muss sagen, dass mir der Film sehr gut gefallen hat. Er ist in schwarz-weiß, was zunächst gewöhnungsbedürftig ist, aber die Stimmung des Films unglaublich gut umsetzt.

Darüber hinaus finde ich die Kombination aus der mysteriösen und spannenden Geschichte gepaart mit dem Bild der damaligen Gesellschaft sehr gelungen. Hier zeigen sich die Ambivalenzen der damaligen Gesellschaft und ihre Probleme. Der Pfarrer als Mann Gottes, der eigentlich Nächstenliebe predigen sollte, führt in seiner Familie ein strenges und fast schon paranoides Regiment. Dass die Kinder da nicht psychisch heil rauskommen können, scheint heutzutage nur eine logische Schlussfolgerung zu sein.

Oder der nach Außen so sorgende und hilfsbereite Arzt... In Wirklichkeit benutzt er die Hebamme als billige Arbeitskraft und zur Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse. Als er keine Lust mehr auf sie hat, macht er auf eine wirklich fiese Art mit der Frau Schluss. Zusätzlich vergeht er sich noch an seiner eigenen Tochter, was dem Ganzen dann wirklich die Krone aufsetzt.

Den Punkt Abzug habe ich nur vergeben, weil ich das Ende ziemlich frustierend fand. Der Lehrer äußert zwar den Verdacht, dass die Kinder des Dorfes hinter den Taten stecken, aber es kommt zu keiner Aufklärung. Zwar finden sich einzelne Hinweise im Film, die diese Interpretation unterstützen, aber aus meiner Sicht hätte auch die Möglichkeit einer anderen Auflösung bestanden. Auch fehlt mir eine wirklich schlüssige Erklärung für die Taten der Kinder. Aus Rache? Das passte beim Arzt, aber warum mussten die Söhne von Baron und Hebamme dann auch als Opfer herhalten? Nur als Stellvertreter ihrer Väter? Oder weil sie Außenseiter waren? Warum wurde der Pfarrer nicht auch bestraft? Und warum und wohin sind der Arzt, seine Familie und die Hebamme mit ihrem Sohn verschwunden? Sicher mag das offene Ende gut zu dem Film passen und vielleicht auch einen Teil seines Reizes ausmachen. Trotzdem hat es mich frustiert. Ich hätte gerne zumindest auf einen Teil meiner Fragen ne Antwort gehabt.

4
Horch und Guck: