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Die Bagatelle des Dr. strg. h.c. von Googleberg [Update #2]

Nun ist es amtlich, der Herr "Dr." hat abgeschrieben. Guttenberg hat zugegeben "handwerkliche Fehler" gemacht zu haben, die es seiner Meinung nach nicht mehr rechtfertigen den Doktortitel zu tragen. Es findet jedoch immer noch eine Vermischung der politischen und wissenschaftlichen Ebene der Plagiatsaffäre Guttenberg statt, an der jedoch unser Sonnenkönig nicht ganz unschuldig ist. Noch stellt sich Mutti vor ihren Verteidigungsminister, nicht ganz zu Unrecht weist sie darauf hin, dass sie einen Verteidigungsminister und keinen Doktor ins Ministeramt berufen hat. Im Augenblick bleibt ihr und dem zweiten, den Guttenberg sein Amt streitig machen könnte (Seehofer), auch nichts anderes übrig. Zu beliebt ist der Kanzler der Herzen beim Volk, zu groß die Gefahr einen Märtyrer, eine(n) deutsche(n) Sarah Palin zu schaffen. Sie warten jedoch nur darauf dem Baron in den Rücken zu fallen - die richtige Position haben sie ja schon eingenommen.

Die Diskussion um die wissenschaftliche Verfehlung des Dr. h.c. (hot copy) gerät allerdings immer noch zu kurz, wird klein gehalten, ja geradezu bagatellisiert. So etwa - der ansonsten von mir wegen seiner guten Kommentare sehr geschätzte - Michael Spreng, der sein Abitur zurückgeben will, da er betrogen hat. Bescheißen tut doch jeder, "hier, ich habs auch gemacht." Aber ist etwas weniger verwerflich, nur weil es jeder macht? Darf man in New York wahllos Leute erschießen, nur weil das da zur Normalität geworden ist? Sollten wir einen Zumwinkel nicht vergeben, da doch - seinen wir mal ehrlich - eh jeder den Fiskus bescheißt. Und warum geben wir dann auch noch Geld für die Steuersünder-CDs aus, wenn es doch nur eine kleine Dummheit war? Und v.a. sollte sich das eigene Handeln wirklich am Fehlverhalten anderer orientieren?

Aber auch die "Geständnis- und Rückgaberede" des Abschreibers ist eine reine Bagatellisierung der Geschehnisse. Rhetorisch allerdings hervorragend gehalten (eine Transkript gibt es von Zettel). So räumt Guttenberg zwar ein, dass er am Wochenende feststellen musste, dass er gravierende Fehler gemacht hatte - fraglich ist jedoch, ob er diese selber nach einem erneuten(?) Studium seiner(?) Arbeit gefunden hat oder durch das Guttenplag-Wiki auf diese Erkenntnis gestoßen ist. Das mag sich jeder selber denken.

Aber diese Fehler hätte er nicht bewusst gemacht. Hier (bei mind. 20%, sowie selbst eingeräumtem Plagiatismus) muss allerdings eine Beweislastumkehr gelten, d.h. Guttenberg muss glaubhaft erklären können, wie ihm auf mehr als jeder zweiten Seite eine korrekte Fußnote durchgerutscht sein kann. Gerade auch bei gezielt abgeänderten Zitaten oder bei Kaschierungen von wörtlichen Zitaten mit einem "vgl. auch" kann nicht mehr von unabsichtlichen Vergehen gesprochen werden. Juristisch ist dies auch nicht mehr grob fahrlässig sondern Vorsatz!

Die Krönung der Erklärung unseres Sonnenkönigs ist dann, dass er "möglicherweise an der einen oder anderen Stelle - an der einen oder anderen Stelle auch zuviel - auch teilweise den Überblick über die Quellen verloren" hat. Möglicherweise hat zu Guttenberg wohl eher an der einen oder anderen Stelle nicht den Überblick verloren. Ansonsten gilt auch hier, das obige, dass in dieser Vielzahl nicht mehr von Kleinigkeiten, von Überblick verloren gesprochen werden kann, sondern nur von einer systematischen Täuschung.

Dieser Realitätsverlust ist beängstigend und behandlungswürdig. Gehen wir mal vom notorischen Plagiator zum Kleptomanen über (so abwegig ist dies nicht, um Diebstähle geht es bei beiden). Die Analogie der Erklärung des KT wäre hier: Da ist mir sicher an dem einen oder anderen Regal eine Ware in die eigene Tasche gerutscht, an der einen oder anderen Stelle auch zu viel - sonst hätten sie mich ja nicht erwischt. Da habe ich wohl den Überblick verloren, aber ich betone, dass ich dies nicht bewusst getan habe - was im Falle des Kleptomanen sogar stimmen mag.

Die Rede von Guttenberg - und die Erklärungen seiner Unterstützer - sind nichts weiter als der Versuch einer Bagatellisierung schwerwiegender wissenschaftlicher Fehler. Und als große Geste, um seinen guten Willen zu zeigen, gibt er dann - natürlich in Demut - seinen Doktortitel zurück. Dass er diesen anstrengungslos verliehenen Titel nicht einfach so zurückgeben kann - und alles ist gut - steht auf einer anderen Urkunde. Ein Titel, eine Auszeichnung für eine besondere (wissenschaftliche) Leistung kann man nämlich nicht so einfach ablegen wie die zu groß geratenen Schuhe. Die (wissenschaftliche) Ehrung bleibt nämlich bestehen, bis sie aberkannt wird. Dies geschieht auch aus Selbstschutz der Institution, dass nur der, der eine Leistung nobelpreiswürdig befunden hat (und kann), diesen Nobelpreis auch wieder aberkennen kann. Wo kämen wir da hin, wenn das (hier auch mal adlige) "Proletariat" selbst darüber entscheiden kann, ob ihre Leistung (nicht) nobelpreisverdächtig ist. Um diese Prüfung kann Herr Guttenberg jedoch nicht herumkommen.

Noch einmal: Wissenschaftlich gesehen ist das Plagiat von Guttenberg kein Kavaliersdelikt.  Es ist eines der schwersten Vergehen - in der Wissenschaft. Politisch muss dies nichts bedeuten. Die süffisante Bagatellisierung der Geschehnisse und die bewussten Lügen (am Freitag waren die Vorwürfe noch abstrus) können den (ehemals) beliebtesten Politiker doch noch zum Verhängnis werden. Die mediale und politische Beliebtheit ist oftmals schneller vergänglich als die wissenschaftliche - einen Vorteil muss die Wissenschaft ja auch haben.

Update, 25.02.2011: Der deutsche Hochschulverband (DHV) meldet sich (endlich) auch zu Wort und empört sich über die Verharmlosun von Plagiaten:

Wissenschaft ist die Suche nach Wahrheit. Sie lebt von Originalität und Eigenständigkeit. Der redliche Umgang mit Daten, Fakten und geistigem Eigentum macht die Wissenschaft erst zu Wissenschaft. Plagiate erschüttern daher die Glaubwürdigkeit von Wissenschaft. 

(...) Die Marginalisierung schwersten wissenschaftlichen Fehlverhaltens durch höchste Repräsentanten unseres Staates ist empörend. Es ist unerträglich, wie die Bedeutung der Wissenschaft und ihrer ehernen Gesetze politisch kleingeredet wird.
 

Solch eine Stellungnahme hätte ich mir nur schon ein bisschen früher gewünscht (erwartet).

Update, 27.02.2011: Auch der Nachfolger von Guttenplags Doktorvater ander Uni Bayreuth meldet sich mit klaren Worten zu Wort (via):

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